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FOTOGRAFIE TRIFFT POESIE an.


LEUCHTENDE NÄH(T)E – EIN FOTOLYRISCHER DIALOG

Patricia Falkenburg und Christiane Rath

Wo fängt es an: bei einem einzelnen (roten) Faden oder beim Gewirr eines verzwirbelten Knäuels? Sprechen wir jetzt über Nähte, oder eher über Nähe, selbst über Grenzen hinweg?

So wie für eine Naht stets ein Garn und (mindestens) zwei Gewebestücke benötigt werden, begann die imaginäre Näharbeit mit unterschiedlichen, zunächst getrennten Impulsen. Damit waren schon zu Beginn verschiedene rote Fäden ausgelegt, die im Wechselspiel verfolgt werden konnten. Wie bereits in einem vorangegangenen fotolyrischen Dialog zum Thema „Echo“ erlaubten sich die Künstlerinnen größtmögliche Reaktionsfreiheit: beide konnten zu jeder Zeit mit einem Text und/oder einem Bild auf die Arbeit der jeweils Anderen reagieren. Der interaktive Prozess begann.

Der Leitfaden war das Nah(t)motiv, was den schöpferischen Blick zugleich in den Makrobereich der Nähe lenkte wie in die Ferne des Jenseitigen hinter Flussläufen und Grenzen: wenn auf Nahtbereichen Mauern wachsen, offenbart sich das Trennende, Abscheidende, Ausliefernde. Das Gegenteil der Naht ist der Riss, das Gegenteil von Nähe das Ab- und das Ausgrenzen, so wie jeder Stoff zwei Seiten hat. Wie Licht und Schatten führten die Überlegungen unausweichlich zu dem, was Menschen anderen Menschen an Grenzen antun. Wenn Pfosten mit Stacheldraht umwickelt werden, entsteht ein Gewebe der Angst und des Hasses.

FOTOGRAFIE TRIFFT POESI

Falkenburg nutzt für ihre Fotovisualisationen eigene digitale Fotografien, die sie am Computer in die Abstraktion treibt und zu neuen Bildern verschmelzen lässt. Reale Szenerien werden zusammengefügt, überlagern und verändern sich, bis – vielfach gebrochen – eine neue Sicht entsteht, die die innere Wahrnehmung spiegelt. Rath arbeitet bevorzugt mit Mehrfachbelichtungen und lässt so eigene Bildwelten aus übereinander gelegten Realitätsebenen entstehen. Beide haben für das Projekt „Leuchtende Näh(t)e“ Narben, Stacheldraht, Nähte, Stoff- oder Wortfetzen zu Bildmotiven komponiert.

Fotoarbeit - Schuhe im Wind






das generationenkleid

die oma näht der enkelin
ein kleid aus samt und seide
die enkelin ist schön darin
sie trägt es wie geschmeide

die enkelin ist selbst jetzt alt
das kleid ist aus der mode
der stoff noch fest die schleife sitzt
die fäden nicht marode

sie denkt an ihre enkelin
die größe stimmt genau
es liegt ein schöner traum darin
von frau zu frau zu frau



Echolot

Im Schreiben lässt Falkenburg der freien Assoziation großen Raum. Sie reagiert gleichermaßen auf ihre eigenen biographischen Erfahrungen wie auf Impulse ihrer Partnerin. Die Texte dürfen umherschweifen und nehmen Aspekte aus unterschiedlichen Quellen auf.

Raths lyrische Beiträge stellen sich wie schon beim Echoprojekt in gesellschaftskritischer Weise der Zerrissenheit der Realität und der Frage, wo Heilung zu finden sein könnte. Wer flickt uns in Zeiten der Not, welches Garn kann Halt geben?

Wie die Nadel Stoffe durchdringen muss, um das eine und das andere zusammenzufügen, ließen die beiden Künstlerinnen ihre Gedanken aufeinander zu und wieder zurück gleiten. So entstand ein Gewebe aus Texten und Bildern, das permutativ gedacht ist: die Anordnung der Komponenten in ihrer vielfachen Kreuzbezüglichkeit erlaubt die Variation. Der gemeinsam gewebte Quilt ist nur eine von Myriaden von Möglichkeiten, Texte und Bilder in „leuchtender Nähe“ zusammenzufügen.